Montag, 2. Februar 2015

Seelenspiegel

"Die Pferde spiegeln uns" - diese Aussage habe ich schon so oft gehört, aber erst in der letzten Zeit wird mir bewusst, in welchem Ausmaß sie das tun.

Vor dreieinhalb Jahren habe ich eine neue Stelle angenommen und kurz darauf begonnen, meine Doktorarbeit zu schreiben.
Der geringe Verdienst bei hohem Frustrationslevel haben an meinen Nerven gezerrt, bis ich beschlossen habe, dort aufzuhören. Mit dem Entschluss ging es mir besser, doch ich habe einfach nichts anderes gefunden. Also hab ich die Zähne zusammengebissen und weitergemacht. Mit meiner Laune ging es bergab, ich musste einen Nebenjob annehmen, um den Stall bezahlen zu können, war oft bedrückt, ständig gestresst, müde und eigentlich immer unzufrieden.

Vor etwa 2 Jahren hatten die Prinzessin und ich einen - sagen wir - Könnens-Höhepunkt.
Dann lief es mit dem Pony plötzlich nicht mehr so gut. Die Prinzessin, schon immer eher in sich gekehrt und wenig arbeitsfreudig, zog sich immer mehr zurück, wurde "faul", entzog sich meinen Hilfen, bekam "Rücken" und war nicht mehr dieselbe. Dadurch ging es mir dann noch schlechter....

Ich hatte das Gefühl, dass mein Pony alles vergisst, was wir erarbeitet hatten und zudem körperlich abbaut. Es gab natürlich auch Hochs im Tief aber insgesamt war die Situation nicht zufriedenstellend.

Im Nachhinein kann ich hier Parallelen zwischen unseren Gemütsverfassungen erkennen.

Im Mai 2014 war dann endlich das Ende meiner Doktorandenzeit abzusehen, ich hatte mir den September zum Abgeben meiner Arbeit als Ziel gesetzt, die Auswertung meiner Studie lief gut und Schreiben ging auch. Tatsächlich abgegeben habe ich dann Mitte Oktober und seitdem geht es mir seelisch viel besser, ich bin entspannter, kann mich auf die Zeit in Dänemark freuen und bin auch in Gedanken ganz beim Pony, wenn ich mit ihr arbeite.

Seit Mitte 2014 hat sich auch unsere Arbeit langsam stabilisiert, wir haben keine Rückschritte mehr gemacht, seit Dezember 2014 geht es nur noch bergauf. Saluts Rückenproblem ist nicht wieder aufgetaucht.

Kann es sein, dass es meinem Pony so schlecht ging, weil es mir so schlecht ging? Und dass sie nun, nachdem ich selber entspannter und zufriedener bin, auch wieder aufleben kann? Ich kann es nicht wissen, aber vermuten.
Dass sie mich körperlich spiegelt, weiß ich. Spätestens seit ich mit der Freiarbeit begonnen habe, fällt mir immer wieder auf, wie entscheidend Kleinigkeiten in meiner Haltung sind, um auch ihre zu ändern. Nicht nur, dass sie den Kopf senkt, wenn ich mich vorbeuge, die Schultern dreht, wenn ich meine drehe und langsamer und schneller wird, je nachdem, wie ich laufe. Nein, auch wohin ich mit den Augen schaue und was ich mit meinen Händen mache entgeht ihr nicht und wird - zumindest an sehr aufmerksamen Tagen - imitiert.

Auch bei meinen Reitschülern konnte ich dieses Phänomen beobachten, wenn auch immer nur auf den kurzen Zeitabschnitt einer Unterrichtseinheit bezogen. Steigt jemand mit Stress aufs Pferd, wird das Reiten selten zufriedenstellend. Nicht nur der angespannte Rücken, zusammengebissene Zähne oder sonstige körperliche Auswirkungen von Stress behindern die Arbeit. Wer gestresst ist setzt - besonders in einer Reitstunde - sein Pferd unter großen Druck. Denn wir Freizeitreiter halten unsere Pferde zu unserer Entspannung. Wir erwarten also, dass sie uns von dem Alltagsärger befreien und laden ihn auf diese Weise auf ihrem Rücken ab. Das ist nicht fair. Kommt dann noch unsere Verspannung hinzu, muss das Pferd schon sehr unsensibel oder hart im Nehmen sein, um dennoch locker und motiviert zu laufen.

Mein Rückblick auf die letzten 3 Jahre lässt mich nachdenklich werden. Und er motiviert mich dazu, meine Arbeit mit Salut zu verändern. Er motiviert mich, mich mehr mit meiner seelischen Verfassung zu beschäftigen. Ich hoffe, eines Tages werde ich in der Lage sein, wirklich alles, was mich in der Nicht-Stall-Wirklichkeit beschäftigt, auszublenden und beim Pony NUR beim Pony zu sein.
 Aber bis es so weit ist möchte ich meinem Pony heute etwas versprechen: Wenn ich gestresst bin, egal ob von der Arbeit, der Freizeit, Beziehungen oder was auch immer, werde ich nicht von dir verlangen, MIT mir zu arbeiten. Dann darfst du OHNE mich laufen, springen, dich wälzen. Oder vielleicht gehen wir auch ins Gelände, joggen oder spazieren einfach nur, freuen uns über Bäume, Vögel und Blumen. Am Ende kommt ja auch alles wieder zu mir zurück: Nur wenn du glücklich bist kann ich es auch sein.



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